Thema und Absicht

Medienbüro

Reif muss nicht immer rot sein

Seltene Tomatensorten

Tomaten sind nicht erst mit dem Siegeszug der mediterranen Küche hierzulande sehr beliebt. Es gibt eine Vielfalt, die zum Probieren einlädt. Die unterschiedlichsten Samen hält ein Verein in der Uckermark für experimentierfreudige Gärtner bereit.

„Das macht natürlich nicht jeder Kleingärtner“, winkt Christof Blank ab. Aber er hat es getan. In einem Sommer zog er 80 Tomatenpflanzen an und verteilte sie überall auf seinem Hof und im Garten. „Ich wollte einfach mal schauen, wo sie wachsen und wo nicht.“ Und er war am Ende seines privaten Experimentes schon etwas überrascht.

Christof Blank arbeitet für den Verein zur Erhaltung und Rekultivierung von Nutzpflanzen in Brandenburg e.V., kurz Vern genannt. Der Verein unterhält im brandenburgischen Greiffenberg einen Demonstrations- und Vermehrunggarten. Neben Getreide, Kartoffeln, allerlei sonderbarem Gemüse, wie dem Uckermarker Altmärker Braunkohl (Brassica oleracea) oder dem Riesenspinatbaum (Chenopodium gigantea), werden hier alte und seltene Kulturpflanzen vor dem Aussterben bewahrt. Christof Blank und seine Kollegen geben ihr Wissen über Anbau, Pflege, Ernte und Vermehrung von Gemüse, Kräutern, Blumen und vielen anderen Nutzpflanzen gern weiter.

So wie das im Nordosten Brandenburgs inzwischen angesammelte Wissen über die Tomate, die ja bereits früher nicht ohne Grund auch Paradiesapfel genannt wurde. Eigentlich sei ja die Tomate in unseren Breiten alles andere als zu Hause, gibt Blank zu bedenken. Aber die Deutschen verspeisen statistisch 22 Kilogramm der Paradeiser, Gold- oder Liebesäpfel. Und viele Kleingärtner aber auch kleine Gartenbaubetriebe sind immer wieder auf der Suche nach neuen überraschenden Sorten.

Die Tomatenfrucht muss nicht immer rot sein. „Wir haben welche, die sehr speziell sind“, betont der Mann vom Vern. Er versuchte sich zum Beispiel an einer Tomatensorte namens „Giraffe“. In einem Internetforum von Gärtnern ist zu lesen: „Dieser Sorte scheint das Reife-Gen‘ zu fehlen!“ Und auch in der Uckermark „hing sie unreif am Strauch bis in den Herbst.“ Doch der Gartenfachmann hatte Geduld, lagerte die geernteten Tomaten ein und konnte so um Weihnachten die letzten Früchte der „Giraffe“ essen.

Sein fachmännischer Tipp: Die Beschreibungen, die der Verein mit seinem Saatgut im jährlichen Compendium gibt, ganz genau lesen. Auch wenn viele alte Sorten durchaus robust sind, benötigen sie nicht weniger Aufmerksamkeit und Pflege, als die üblichen, weitverbreiteten Gartensorten, die meist speziell gezüchtete Hybride sind.

Will man Tomaten in besonderen Sorten probieren und selbst aus dem Vern-Saatgut ziehen, so geht probieren über studieren. „Ab Ende Februar sollten Tomatenpflanzen vorgezogen werden“, rät der Fachmann. In einer Aussaatschale können die Samen bei 20 bis 22 Grad Celsius keimen. Wenn sich nach etwa einer Woche die ersten richtigen Blätter zeigen, können die winzigen Pflänzchen bereits vereinzelt werden. Der Gärtner benutzt das schöne alte Wort pikieren. Danach sollte die Anzucht kühler stehen. „Sechszehn Grad wären gut, damit sie nicht gleich vergeilen“, ist die Erfahrung von Christof Blanck. Es käme dem Gärtner ja schließlich auf das Längenwachstum an und nicht so sehr aufs Kraut. Wenn Pflanzen „geil“ werden, entsteht ein Misswuchs, der weder richtige Fruchtansätze noch viel Grünmasse bildet. Nach den Eisheiligen können die inzwischen kräftigen Pflanzen ins Freiland oder unters Zelt. Von nun an heißt es Anbinden, Pflegen, Ausgeizen und nicht zu häufig gießen. „Einmal pro Woche ordentlich ist besser als täglich ein bisschen“, sagt der Experte. Vor allem benötigen auch die alten und besonderen Sorten Nährstoffe und Licht, um gedeihen zu können. „Sie wachsen nicht von allein, nur weil es alte Sorten sind“, sagt der Mann, der in seinem eigenen Garten gern Querbeet ausprobiert.

Der Vern hat Sorten angebaut und Samen gewonnen, die besonders trockenheits- und krankheitsresistent sind. So eine Buschtomate namens „Carrot Like“, die aus Russland stammt und sich besonders widerstandsfähig gegen die von Gärtnern gefürchtet Braunfäule erweist. Oder die „Ponderosa Pink“, eine Stabtomate, die mit ihrer farblosen Haut und violettem Fleischton bereits 1891 in den USA eingeführt wurde und zur Gruppe der „Rindfleischtomaten“ besonders in feuchten Regionen gut wächst.

Beim Blättern im Compendium kann dem Tomaten-Fan schon das Wasser im Mund zusammen laufen. Fest steht, es gibt Tomaten jenseits von Holland und abseits des „Harzfeuers“.

www.vern.de

Veröffentlicht im Nordkurier am 21.02.2014

Weiter Beitrag

Antworten

© 2024 Thema und Absicht

Thema von Anders Norén